Gegen die Normalisierung struktureller und rassistischer Gewalt durch die HAVAG Against the Normalization of Structural and Rascist Violence by HAVAG

2022/09/23

Zweites Statement von Migrant Voices Halle zu rassistischer Gewalt und lebensgefährdender Behandlung durch 3 Kontrolleure der HAVAG

Filed under: General — migranttvoices @ 19:58
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– english translation below –
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Am Morgen des 8. Juni 2022 im Zeitraum von 8.30-8.55 Uhr kam es in der Straßenbahn Linie 10 Richtung Neustadt Zentrum zu gewaltsamen und rassistischen Übergriffen von 3 weißen Straßenbahnkontrolleuren der HAVAG auf einen migrantisierten Fahrgast und Menschen. In einem öffentlichen Statement, das wir am 24.8.22 veröffentlicht haben, forderten wir nachträglich eine Aufarbeitung des Vorfalles, sowie die Entlassung der 3 nachweislich an den Übergriffen beteiligten Kontrolleure der HAVAG. Zeitgleich zu dieser Veröffentlichung teilten wir dem Kundenservice der HAVAG unsere Beschwerden und Forderungen, sowie unsere Mailadresse für einen direkten Austausch mit. In einer ersten Antwort und Reaktion versichterte die HAVAG uns gegenüber den Fall aufzuarbeiten. Jedoch folgten daraus keine Einsichten oder Konsequenzen. Stattdessen teilte uns das Beschwerdemanagement der HAVAG ausführliche Angaben ihrer Prüfgesellschaft zum Vorfall mit. Nach diesen würde keinerlei Fehlverhalten ihrer 3 Kontrolleure erkennbar sein, weshalb wir unsere Anklage der unverhältnismäßigen Gewalt und damit ebenso unsere Forderungen in diesem Fall öffentlich zurückziehen sollten. Die Forderung dazu und die Begründung für ihre Haltung veröffentlichte die HAVAG über das Online-Magazin “Du bist Halle” am 29.8.22. Im Folgenden möchten wir nachträglich darauf eingehen, weshalb wir die öffentlichen Aussagen der HAVAG und ihre Ablehnung einer Aufarbeitung kritisieren und weshalb wir weiterhin an unseren Forderungen festhalten. Hierbei gehen wir im Folgenden jedoch von einer veränderten Ausgangssituation des Vorfalls vom 8.6.22 aus, auf die sich die HAVAG uns und der Öffentlichkeit gegenüber berufen hat, um die Gewaltausübung ihrer 3 Kontrolleure zu rechtfertigen.
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Unser erstes Statement ,,Soziale Gerechtigkeit statt Gewaltfreiheit” basierte auf der Annahme, dass die Übergriffe seitens der 3 Kontrolleure der HAVAG auf einen migrantiserten Fahrgast durch ein fehlendes Ticket oder Ausweisdokument ausgelöst wurden und erfolgt sind. Also auf Grundlage des Beförderungserschleichungsgesetzes. Nach der Erklärung der Prüfgesellschaft und der HAVAG uns gegenüber erfolgte die Kontrolle und Gewaltausübung jedoch nicht aufgrund eines fehlenden Tickets oder Ausweises, sondern aufgrund eines fehlenden Mund-Nasen-Schutzes, sowie der möglichen Sachbeschädigung eines Prüfgerätes, als die betroffene Person versuchte die Kontrolle zu verlassen. Sollte diese Erklärung der HAVAG und ihrer Prüfgesellschaft den Tatsachen entsprechen, sehen wir es als notwendig an, unsere Annahmen der genauen Auslöser des Vorfalles zu revidieren. Allerdings ist die Prüfgesellschaft der HAVAG keine unabhängige Instanz und hat selbstverständlich ein Interesse daran, Umstände gegebenfalls so darzustellen, dass sie im Interesse des Unternehmens liegen und nicht zu dessen Schaden führen. Zudem beruhte unsere Annahme auf dem Zeugenbericht einer Person, die den Vorfall nahezu von Beginn an beobachtet und uns gegenüber versichert hatte, keinen berechtigten Grund für die Ausübung der Gewalt erkannt zu haben. Aus diesen Gründen misstrauen wir den Angaben der HAVAG dennoch und bereuen nach wie vor nicht, diesen Fall öffentlich gemacht zu haben, um die Verhältnismäßigkeit der ausgeübten Gewalt der 3 HAVAG Kontrolleure in Frage zu stellen. Nichtsdestotrotz gehen wir im folgenden von den veränderten Ursachenkonstanten des Vorfalles aus auf die sich die HAVAG uns und der Öffentlichkeit gegenüber berufen hat. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine Veränderung der gesamten Gleichung, deren Ausrechnung die HAVAG  ohne uns gemacht hat und die in unseren Augen auch weiterhin im Ergebnis höchst zweifelhaft ist. 
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In ihrer öffentlichen Stellungnahme auf “Du bist Halle” begründet die HAVAG die unverhältismäßige Gewaltausübung ihrer Kontrolleure damit, dass eine mögliche Sachbeschädigung und Körperverletzung erfolgt sei. Dabei schildert die genaue Erklärung der Prüfgesellschaft den Vorfall so, dass die betroffene Person während der Sanktionierungsmaßnahme zunächst das Ausweisdokument dem zuständigen Kontrolleur auf dessen Forderung hin ausgehändigt hatte, im folgenden Verlauf jedoch versuchte die Sanktionierungsmaßnahme zu verlassen. Dabei soll ein Schlag gegen das Prüfgerät des zuständigen Kontrolleurs erfolgt sein, wodurch das Ausweisdokument auf den Boden fiel. Bei dem Versuch das Ausweisdokument aufzuheben und die Straßenbahn zu verlassen, wurde die betroffene Person von den Kontrolleuren ergriffen und überwältigt. Dabei soll es zu einer Körperverletzung seitens der betroffenen Person gegenüber den Kontrolleuren gekommen sein.
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Was die HAVAG gegenüber der Öffentlichkeit also nicht nennt, ist, dass die mögliche Sachbeschädigung eines ihrer Prüfgeräte auf einer bloßen Annahme beruhte und scheinbar bei dem Versuch der Person geschah, die Sanktionsmaßnahme und Straßenbahn zu verlassen. Es handelt sich also nicht um reinen Vandalismus, wie eine bewusste Nichtnennung des Kontextes suggerieren kann. Zudem zeigte die betroffene Person zuvor offenbar Kooperationsbereitschaft durch die Aushändigung eines Ausweises. Das die Entscheidung dazu sich grundlos oder nur aus Schadenfreude in eine Verweigerungshaltung geändert haben soll, ist dabei in Frage zu stellen. Es ist zudem durchaus möglich, dass diese Reaktion durch den zuständigen Kontrolleur provoziert worden sein könnte und der vermeintliche ,,Schlag” gegen das Prüfgerät im Falle der Tatsache indirekt daraus resultierte, dass ausgehändigte Ausweisdokument zurückzuerhalten. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass Kontrolleure rechtlich nicht dazu befugt sind einen Personalausweis zu verlangen und, dass sie es dennoch tun insbesondere bei bestimmten Personengruppen. In der vorliegenden Situation wäre es dem zuständigen  Kontrolleur zudem möglich gewesen die betroffene Person aufgrund des Nicht-Tragens einer Maske der Straßenbahn zu verweisen statt den Ausweis für eine Sanktionierung zu verlangen. Desweiteren kann die mögliche Körperverletzung, die nach Erklärung der Prüfgesellschaft der HAVAG verübt worden sein soll, nur als indirekte Verteidigungsreaktion auf die Gewaltausübung der 3 Straßenbahnkontrolleure geschehen sein. Indem diese die betroffene Person gewaltsam überwältigten und mit massivem Druck zwangen in der Straßenbahn zu bleiben, ließen sie die Situation vollständig eskalieren. Trotzdessen jedoch soll nach Zeugenerklärung am Ende des Vorfalls keiner der 3 Kontrolleure äußerlich und vom Verhalten her verletzt gewirkt haben. Demnach sei auch keine medizinische Behandlung angefordert worden und notwendig gewesen. Wir glauben deshalb, dass die Prüfgesellschaft und HAVAG bewusst den Vorwurf der Sachbeschädigung und Körperverletzung benutzen, um zum Einen, die Ausübung von Gewalt durch Vorkriminalisierung der Person rechtlich zu legitimieren und zum Anderen Täter-Opfer-Umkehr zu betreiben, um so die öffentliche Wahrnehmung zu ihren Gunsten zu beeinflussen. 
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An dieser Stelle möchten wir noch einmal betonen, dass nicht unabhängig sichergestellt ist, ob der Tatvorwurf der Sachbeschädigung zur Legitimierung der Gewaltausübung tatsächlich der Wahrheit entspricht oder nicht nachträglich und gezielt fingiert wurde. Es wäre jedenfalls nicht das erste Mal, dass Menschen, die unangemessenes und diskriminierendes Verhalten durch Kontrolleur:innen der HAVAG erfahren und sich dagegen verteidigen, angezeigt werden. Betroffene versuchen meist zudem nicht rechtlich gegen Unrechtbehandlungen durch Kontrolleur:innen der HAVAG vorzugehen, da sie wissen, dass dies zu einer Gegenanzeige führen kann. Hierbei berufen wir uns auf Angaben von Antidiskriminierungsstellen in Sachsen Anhalt, die uns auf Anfrage hin mitteilten Fälle in der Vergangenheit bearbeitet zu haben, in denen es ebenfalls zur Täter-Opfer-Umkehr durch Kontrolleur:innen der HAVAG kam.
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Unabhängig davon glauben wir in jedem Fall jedoch, dass es soziale Ursachen dafür gibt, weshalb Menschen in einer stressauslösenden Kontrolle aufgrund der damit verbundenen Strafe affektiv und auch unüberlegt reagieren können und dass auf solches Verhalten nicht zwingend mit körperlicher Gewalt reagiert werden muss. Vor allem ist diese dann nicht notwendig, wenn anfangs scheinbar Kooperationsbereitschaft durch die Übergabe des Ausweisdokumentes gezeigt wurde und zudem kein Anlass zur Notwehr oder eine Gefährdung anderer Personen besteht. Stattdessen sollten Kontrolleur:innen wissen, wie sie mit unerwarteten und auch stressigen Situationen verantwortungsvoll und deeskalativ umgehen sollten, statt um jeden Preis eine Bestrafung durchzusetzen. 
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Wie wir in unserem 1.Statement bereits beschrieben, wurde die betroffene Person im Verlauf des Vorfalls von den 3 Kontrolleuren so massiv festgehalten und in den Schwitzkasten genommen, dass dieser sich nicht mehr bewegen konnte und dabei mehrfach forderte: ,,Lass mich sitzen!“ und ,,Lass mich atmen!“. Trotz dieser wiederholten Aufforderungen ließen die 3 Kontrolleure nicht von der betroffenen Person ab, sondern packtierten die Person weiter unter den Augen zuschauender Menschen. Dabei erwiderten sie der betroffenen Person: ,,Lass dein Portemonnaie fallen, dann kannst du sitzen!“ und ,,dein Ausweis, dann is jut!”.  Die HAVAG hat uns hierzu mitgeteilt, dass unsere Schilderungen von dem abweichen würden, was wirklich passiert sei und, dass ihre Kontrolleure versucht hätten die Person ,,zu beruhigen”. Aus den Bildern und Tonaufnahmen des uns vorliegenden Beweisvideos und der damit verbundenen Tatsache, dass die 3 Kontrolleure der bereits überwältigten Person nicht die Möglichkeit ließen zu sitzen und frei zu atmen, sowie zudem noch rechtlich unzulässige Bedingungen dafür stellten, ist jedoch nachzuweisen, dass es den 3 Kontrolleuren nicht darum ging, die Person ,,zu beruhigen”. Ihnen ging es vor allem um die Durchsetzung von Autorität und dominatorischer Macht. 
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Nach Angaben der Zeugenperson, die uns das Beweismaterial übermittelt hat, übte der erste Kontrolleur zudem schon von Beginn an extreme, rechtswidrige Gewalt aus. Demnach wurde der Kopf und Nacken der betroffenen Person gepackt und niedergedrückt, sodass die Person nicht aus dem Sitz aufstehen konnte. Erst durch diese Gewalt soll die Situation wirklich eskaliert sein. Daraufhin sollen die 3 Kontrolleure schließlich gemeinsam versucht haben die Person auf den Boden zu drücken und die Hände auf den Rücken zu fixieren, was aufgrund der Schwankungen der fahrenden Straßenbahn jedoch nicht möglich war, sodass sie die Fixierungen im Stehen und über die Sitze hinweg, wie wir beschrieben haben, fortsetzten. Wir vertrauen diesen Aussagen und bewerten ihre Übergriffe nicht nur als unverhältnismäßige Gewalt und kollektive Körperverletzung, sondern auch als eine Vergeltungsmaßnahme aufgrund von verweigertem Gehorsam. Das uns die HAVAG hierzu noch erklärte, dass ihre Kontrolleure keine andere Wahl zu dieser hatten, da sich die betroffene Person ,,nicht beruhigen wollte”, stellt für uns eine extreme Farce und Täuschung dar. Spätestens ab dem Zeitpunkt in dem die betroffene Person gefordert hat, sitzen und atmen zu können und dies verweigert wurde, muss auch für Unbeteiligte klar sein, dass hier jede Grenze einer möglichen Rechtfertigung und Nachvollziehbarkeit überschritten wurde. Es ist jedenfalls nicht möglich einen Menschen ,,zu beruhigen”, wenn dabei der Hals mit einem Arm eingezwängt und der Oberkörper über zwei Sitze gedrückt wird. Da es bei solchen Maßnahmen unter bestimmten Umständen auch zu ernsthaften gesundheitlichen oder sogar letalen Schäden kommen kann benennen wir solche auch als lebensgefährdende Behandlung. Für uns steht letztendlich außer Frage, dass es rechtlich nicht legitim war, eine Person körperlich dermaßen zu drangsalieren nur aufgrund einer nicht getragenen Maske und der bloßen Annahme einer möglichen Sachbeschädigung. Und selbst wenn eine rechtliche Befugnis dazu vorgelegen hätte, wäre es aus moralischer Sicht unbegründbar.
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Das die HAVAG dennoch keinerlei Fehler hinsichtlich dem Verhalten ihrer 3 Kontrolleure sieht und daher auch kein Bedauern zeigt, bedeutet für uns, dass die HAVAG zur Durchsetzung ihrer Sanktionierungsmaßnahmen notfalls auch Eskalation und exzessive Gewalt statt konfliktkompetentes Verhalten und deeskalative Maßnahmen befürwortet. Dabei spielt es im Grunde auch keine Rolle, was der genaue Auslöser dafür ist. Zudem scheint der HAVAG der Schutz von Privateigentum wichtiger zu sein als das Wohlergehen von Menschen. Statt Selbstkritik und einer notwendigen Aufarbeitung, die wir gefordert haben und die uns die HAVAG anfangs zugesichert hatte, mussten wir sehen wie die HAVAG versucht, den Fall vollständig umzudrehen und uns bewusst ,,Diskreditierung” ihres Unternehmens vorzuwerfen, um uns in ein schlechtes und sich selbst in ein besseres Licht zu rücken.
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Uns ging es jedoch nicht um eine Diskreditierung der gesamten HAVAG. Wir hatten deshalb auch präzise formuliert, dass es sich um Übergriffe von 3 Kontrolleuren gehandelt hat. Worum es uns aber geht, ist eine demokratische Kontrolle des ÖPNV. Diese ist unserer Ansicht nach nicht gegeben, da es keine unabhängigen Beschwerdestellen mit Kontrollbefugnissen gibt und Unternehmen wie die HAVAG und ihre Prüfgesellschaft nicht unabhängig von ihren eigenen wirtschaftlichen Interessen agieren. Dies zeigte sich für uns auch daran, dass die HAVAG die Stellungnahme ihrer Prüfergesellschaft als Reaktion auf unsere Kritik sofort als zweifelsfrei wahr ansah und äußerst voreilig übernahm und veröffentlichte. Obwohl die HAVAG uns gegenüber anfangs erklärt hatte, dass sie als ,,Drittpartei” versuchen würde einen Überblick über den Vorfall zu bekommen, hat sie uns daraufhin nicht um eine erneute Stellungnahme gebeten. Demnach ist die HAVAG weder unparteiisch, noch wegen der zugesicherten, aber nicht erfüllten Aufarbeitung des Vorfalles für uns glaubwürdig. Denn eine wirkliche Aufarbeitung schließt auch eine selbstkritische Fehleranalyse und die Einsicht von Konsequenzen mit ein, statt bloßer leerer Worte und Versprechungen. Zudem hat die HAVAG unserer Ansicht nach ganz allein ihrem eigenen Ansehen geschadet, in dem sie vollkommen bewusst eskalative und unverhältnismäßige Gewalt im Zuge von Sanktionsmaßnahmen öffentlich rechtfertigt und somit das Vertrauen und Wohlbefinden ihrer Fahrgäste und der Öffentlichkeit aufs Spiel setzt. Denn diese Entscheidung ist auch ein Signal an alle Kontrolleur:innen, dass sie im Ernstfall keine Konsequenzen bekommen, solange sie Möglichkeiten finden ihre Gewaltausübung zu rechtfertigen. Dabei wird deutlich, welche Definitions- und Deutungsmacht die Prüfgesellschaft und HAVAG gegenüber ihren Kritiker*innen haben hinsichtlich der Darstellung und Wahrnehmung von machtmissbräuchlichen Handlungen.
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Obwohl wir Beweisfotos dafür vorgelegt haben, wie 3 weiße Kontrolleure der HAVAG einen migrantisierten Menschen drangsalieren, wird nicht nur unsere Kritik an der Unverhältnismäßigkeit der Behandlung abgewiesen, sondern auch eine Bennennung dieser als rassistisch mithilfe der Täter-Opfer-Umkehr. Die HAVAG weigert sich die Übergriffe ihrer 3 Kontrolleure als rassistisch anzuerkennen, weil es sich ihrer Erklärung nach  nur um eine Reaktion auf das Verhalten der betroffenen Person gehandelt haben soll. Diese Logik verneint, dass Kontrollen und Sanktionierungsmaßnahmen grundsätzlich ein Machtverhältnis und eine Form der Gewaltausübung darstellen, da sie Menschen auf verschiedene Weise unterdrücken können. Dies trifft besonders auf prekarisierte und diskriminierte Menschen zu. Statt jedoch die Erfahrungen der Betroffenen bzw. der betroffenen Person und von Zeugenpersonen stellt die HAVAG die Sicht ihrer Kontrolleure in den Mittelpunkt. Wir verurteilen diesen Täterzentrismus ebenso wie ein Verständis von Rassismus als eine Tat, die wie vor einem Gericht zu beweisen wäre.
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Genauso wie migrantisierte und rassifizierte Menschen bzw. People of Color überall im Alltag immer wieder von rassistischer Diskriminierung oder Gewalt betroffen sind, kommt dies natürlich auch in Bereichen des öffentlichen Personennahverkehrs vor. Migrantisierte Menschen erleben häufig, wie sie bei öffentlichen Kontrollen besonders streng und rigide behandelt werden. Das wird mit der Tatsache, dass erneut eine migrantisierte Person von 3 weißen Kontrolleuren übermäßig hart und brutal behandelt wurde, nur beispielhaft unterstrichen. Diese Verhältnisse resultieren auch daraus, dass Kontrolleur:innen häufig über Vermittlungsagenturen bzw. Fremdfirmen eingestellt werden und jedwede Person dadurch einfachen und unkontrollierbaren Zugang zu Machtbefugnissen erhalten kann. Dies kann natürlich auch rassistisch, sowie autoritär und rechts gesinnten bzw. gewaltbereiten Menschen die Türen öffnen. Dies von vornherein auszuschließen würde gleichzeitig bedeuten, sowohl Rassismus als auch rechtes Denken und Agieren als problematischen Teil der Gesellschaft auszublenden. Auf einem Beweisfoto können wir übrigens aus den Augenwinkeln eines beteiligten Kontrolleures das Grinsen und die selbstsichere Freude an der rassistischen Gewaltausübung lesen. Wir glauben deshalb nicht an Zufälle, dafür aber an strukturelle Zusammenhänge. 
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Selbst wenn wir keine Beweisfotos und Videoaufnahmen als Grundlage für unsere Kritik vorlegen könnten, muss für uns aber grundsätzlich nicht die Frage diskutiert werden, ob die Tat rassistisch war oder nicht. Rassimus kann nämlich meist gar nicht nachgewiesen werden und geschieht meist sogar völlig unbewusst. Stattdessen sollte danach gefragt werden, welche Strukturen dazu führen, dass Machtverhältnisse und Ungleichheiten zwischen Menschen und insbesondere zwischen weißen und rassifizierten Menschen entstehen und wie gesellschaftliche Mechanismen funktionieren, um diese zu legitimieren und normalisieren – statt sie als Problem zu sehen und abzuschaffen. Wir sprechen deshalb auch bewusst von internalisiertem und strukturellem Rassismus als Befreiung von einer beschränkten, entpolitisierten und missbrauchten Definition von Rassismus, welche die sozialisatorische, materiell-kapitalistische und staatliche Dimension von Rassimus ausschließt. Eine solche Definition würde die strukturellen und gesamtgesellschaftlichen Ursachen hinter rassistischer Gewalt unsichtbar lassen und der HAVAG die Möglichkeit bieten sich ihrer Verantwortung zu entziehen.
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Dies versucht die HAVAG letztlich auch dadurch, dass sie unsere Bennenung von Rassismus damit zurückweist, dass auch ,,Menschen mit Migrationshintergrund” in ihrem Unternehmen und ihrer Prüfgesellschaft arbeiten würden und somit kein rassistisches Verhalten existieren kann. Wir kritisieren dies als offensichtlichen Tokenismus, welches häufig von weißen Menschen als Instrument und Ablenkungsmanöver verwendet wird, um Betroffenen von Rassismus ihre Erfahrungen und Kritik abzusprechen. Ziel davon ist es Vertrauen und Gleichberechtigung vorzuheucheln während eine wirkliche Auseinandersetzung mit den individuellen und strukturellen Grundlagen von Rassismus verweigert und stattdessen die eigene Selbstaufwertung und Sicherung der Machtposition fokussiert und zelebriert wird. Hierbei können wir die Erklärung der HAVAG erneut dadurch widerlegen, dass Beratungsstellen in LSA sehr wohl diskriminierendes Verhalten durch Kontrolleur:innen der HAVAG registrieren und mit Betroffenen Beschwerden an die HAVAG gerichtet haben. Das sich die HAVAG trotzdessen öffentlich als absolut integer darstellt, schätzen wir als weiteren Beleg für eine fehlende selbstkritische Aufarbeitung und demokratische Transparenz ein, da betroffene Personen scheinbar nicht ernst genommen und ihre Erfahrungen verleugnet und unsichtbar gemacht werden. 
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Am Umgang der HAVAG mit unserer Kritik wird unserer Beurteilung nach mehr als beispielhaft deutlich mit welchen Logiken und Mitteln strukturelle Gewalt, sowie struktureller Rassismus in der Gesellschaft ermöglicht werden. Wir werden unsere Wahrnehmung der rassistischen und gewaltherrlichen Wirklichkeit bzw. Pseudonormalität aber nicht von den Erklärungen der HAVAG und denen ihrer Prüfgesellschaft manipulieren lassen, auch wenn wir es als notwendig sahen darauf einzugehen, um der Alternativlosigkeit und absoluten Rechtmäßigkeit der Gewaltausübung ihrer Kontrolleure erneut zu widersprechen. 
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Wir fordern die HAVAG mit dieser zweiten Stellungnahme auf: 

  • Entlassen Sie die 3 Kontrolleure, die gemeinsam nachweislich unverhältnismäßige Gewalt ausgeübt haben

  • Arbeiten Sie den Vorfall transparent und selbstkritisch auf und beziehen Sie erneut öffentlich Stellung dazu

  • Ordnen Sie ihr Personal auf deeskalatives und sozial verantwortliches Handeln an statt auf Sanktionierung und Bestrafung um jeden Preis

  • Hören Sie auf Täter-Opfer-Umkehr zu betreiben und strukturellen Rassismus zu leugnen

  • Angesichts nicht eingehaltener Zusagen, falscher Unterstellungen und der öffentlichen Befürwortung unverhältnismäßiger Gewaltausübung fordern wir zudem die Entlassung der in diesem Fall beteiligten Entscheider:innen und den Rücktritt der Leitung des Beschwerdemanagements der HAVAG

An den Übergriffen der 3 Kontrolleure war zudem eine vierte Kontrolleurin indirekt beteiligt, wie uns nachträglich durch die Zeugenperson mitgeteilt wurde. Nach Erklärungen der HAVAG ,,bemerkte” diese den Vorfall und informierte daraufhin den Zugführer, der die Polizei hinzuzog. Da die körperliche Fixierung der betroffenen Person bis zum Eintreffen der Polizei anhielt, hat die vierte Kontrolleurin den Großteil der Gewaltausübung jedoch genau beobachten können. Im Verlauf dessen schrie sie auf die Zeugenperson ein, dass Dokumentieren des Vorgangs mittels Handygerät zu unterlassen. Wir sehen darin den Versuch verbale Gewalt und massiven Druck auf einen Fahrgast auszuüben, um das eigene Fehlverhalten zu vertuschen und eine öffentliche und demokratische Kontrolle zu verhindern. Aus diesem Grund fordern wir auch die Entlassung dieser vierten Kontrolleurin der HAVAG.
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Das Hauptproblem liegt für uns jedoch grundsätzlich im Deutungsmonopol und der Abhängigkeit der HAVAG von wirtschaftlichen Gewinnen und der dafür notwendigen Überwachungs- und Bestrafungslogik. Diese Machtkonzentration und Abhängigkeit macht aus unserer Sicht eine Interessen unabhängige Selbstkontrolle und wirkliche Aufarbeitung nur schwer und bei großem öffentlichen Druck, aber selbst dann wie in diesem Fall nicht bedingungslos möglich. Wir fordern deshalb auch weiterhin weitergehende Maßnahmen und strukturelle Veränderungen:
  • die Prüfung des Kontrollpersonals von Fremdfirmen im Öffentlichen Nahverkehr auf systematischen Missbrauch und Versagen hin

  • die parlamentarische Aufarbeitung und Aufklärung systematischer Diskriminierung und Gewalt durch Sicherheitspersonal im öffentlichen Nahverkehr

  • Eine unabhängige Beschwerdestelle zum Verhalten von Security- und Kontrollpersonal mit Kontroll-und Auskunftsbefugnissen gegenüber Bahnunternehmen wie der HAVAG

  • Einen kostenlosen ÖPNV sowie eine Vergesellschaftung der HAVAG, da ein demokratischer und gewaltfreier ÖPNV langfristig nur sichergestellt werden kann, wenn der gesamte ÖPNV in öffentliche Hand überführt wird und Bahngesellschaften wie die HAVAG keine gewinnorientierten Unternehmen mehr sind

Die HAVAG hat uns öffentlich aufgefordert unser letztes Statement richtig zu stellen. Das haben wir hiermit getan. Aber natürlich nicht im Interesse der HAVAG und ihrer Prüfgesellschaft, sondern im Sinne einer machtkritischen Aufarbeitung und öffentlichen Aufklärung. 
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Abschließende/Zusätzliche Hinweise:
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– Diese Stellungnahme stellt keine Rechtfertigung für das Nicht Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in Zügen des ÖPNV dar
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– Die Zuschreibung ,,weiß” bezieht sich nicht auf biologische, phänotypisierte Eigenschaften, sondern auf Weißsein als soziale Kategorie, die rassistische Konstruktionen erst möglich macht. Diese wird meist strukturell ausgeblendet und damit alle Privilegien und Ungleichheiten, die mit ihr einhergehen. Dadurch bleibt Weißsein Norm und Normalität und es gelingt nicht die rassistischen Machtstrukturen zu erkennen und zu hinterfragen. Auch der Begriff People of Color beschreibt keine Hautschattierungen. Es geht um die Marginalisierung aufgrund von Rassismus. Dabei spielt ein eurozentrischer, rassifizierender und exotisierender Blick eine Rolle, der eine Folge der einstigen, nicht aufgearbeiteten Kolonisierung vieler Länder ist. Der Begriff People of Color beschreibt dabei eine Gemeinsamkeit von strukturellen Diskriminierungserfahrungen aufgrund von Rassismus.
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– Die Fremdzuschreibung bzw. das Othering unserer Gruppe als ,,Migrantenorganisation” durch das online Magazin ,,Du bist Halle” weisen wir zurück. Bei Migrant Voices Halle handelt es sich um einen unabhängigen und hierarchielosen Zusammenschluss von migrantisierten und eingewanderten Menschen. Der Begriff ,,migrantisch” in der Selbstbezeichnung unserer Initiative soll lediglich unsere Positionierung und damit verbundenen Erfahrungen innerhalb der weißen Dominanzgesellschaft und ihrer Herrschaftsstrukturen ausdrücken. Zudem kritisieren wir den Titel des diesbezüglichen Du bist Halle Artikels, der unsere mit Beweismitteln unterlegte Kritik an unverhältnismäßiger Gewalt im Gegensatz zur Positionierung der HAVAG als offene Frage dargestellt hat.
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– Den öffentlichen Vorwurf der HAVAG, dass wir ,,seit Tagen nicht erreichbar” waren, weisen wir zurück. Wir haben der HAVAG mitgeteilt, dass wir über eine Emailadresse kontaktierbar sind. Unsere internen Beratungen benötigten jedoch Zeit und wir sahen keine Notwendigkeit ohne eine konkrete Stellungnahme der HAVAG eilends antworten zu müssen. Die einzige Anfrage, die wir vor der Veröffentlichung der Stellungnahme der HAVAG erhielten, war die zu einer Aushändigung des uns vorliegenden Beweisvideos, womit sich die HAVAG unserer Ansicht nach absichern wollte und worauf wir natürlich nicht eingegangen sind, um die Unabhängigkeit der HAVAG zu überprüfen. Unsere Ablehnung einer Aushändigung wollten wir der HAVAG mitteilen. Nach der voreiligen Veröffentlichung ihrer Stellungnahme sahen wir jedoch keinen Grund mehr für eine Beantwortung dieser Anfrage, ebenso wie für eine eilige Erstellung dieser zweiten Stellungnahme.
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– Die öffentliche Aussage der HAVAG, dass unsere Forderungen jeglicher Grundlage entbehren und anhand der ihr vorliegenden Aufzeichnungen widerlegt werden können haben wir hiermit eingehend gegen-widerlegt. Die Aufzeichnungen der Straßenbahnkameras, welche die HAVAG als Beweismittel anführt, beinhalten nur Bildaufnahmen, die unsere ausführliche Kritik allenfalls bestätigen aber nicht zurückweisen können. Im Gegensatz zur HAVAG besitzen wir die erwähnten Tonaufnahmen, welche die geschilderten Intentionen und Rechtsübertritte der 3 Kontrolleure nachweisen und welche die HAVAG nicht widerlegen kann. Der Hauptfehler der HAVAG lag vor allem darin, sich zweifellos auf die reinen Bildaufzeichnungen ihrer Straßenbahnkameras zu verlassen.
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– Die öffentliche Aussage der HAVAG, dass ihre Mitarbeitenden alle Menschen ,,unabhängig von Herkunft und Ethnie” gleich behandeln würden stellt eine missbräuchliche Verwendung des ambivalenten und umstrittenen Begriffes ,,Ethnie” dar, da eine Vereinahmung der Erfahrungen ethnisierter Menschen und Gruppen vorliegt. Der wissenschaftliche Begriff wird zur Differenzierung kultureller und sozialisatorischer Merkmale genutzt. Die Ethnisierung, Kulturalisierung und damit oft auch Homogenisierung, Stereotypisierung und Exotisierung von Individuen reproduziert jedoch auch rassistische Fremdzuschreibungen und Kategorisierungen und ist besonders im Kontext der Selbstdarstellung/Bereicherung und Rechtfertigung rassistischer Gewalt eine unzulässige Anmaßung.
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– Die strukturelle Kritik, die wir in unserem ersten Statement geäußert haben, bleibt weiterhin bestehen. Die Anzeige-und Sanktionierungspraxis von Bahngesellschaften wie der HAVAG auf Grundlage des Beförderungserschleichungsgesetzes (§ 265a StGB) führt unabhängig vom Vorfall zur (zusätzlichen) Prekarisierung und gesellschaftlichen Stigmatisierung und Ausgrenzung von Menschen, die bereits prekarisiert sind. Im schlimmsten Fall kann es zu einer Ersatzfreiheitsstrafe (§43 StGB) bzw. Inhaftierung im Gefängnis kommen. Besonders für Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus besteht dabei die Gefahr im Falle einer Anzeige von den Ausländerbehörden kriminalisiert bzw. als ,,Straftäter” eingestuft zu werden, was zu einer möglichen Abschiebung führen kann. Ebenso können illegalisierte Menschen, die keine gültigen Ausweispapiere vorzeigen können, von der hinzugerufenen Polizei in Haft genommen oder abgeschoben zu werden. Dem gegenüber steht der unverhältnismäßig hohe wirtschaftliche Jahresumsatz der HAVAG bzw. Stadtwerke Halle GmBH, dessen Tochterunternehmen die HAVAG ist. Hierzu hat sich die HAVAG bislang überhaupt nicht geäußert.
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– Zudem muss unverhältnismäßige Security Willkür und Gewalt auch in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens problematisiert werden. Staatliche Gesetze ermöglichen immer wieder die Legitimierung von Räumen, in denen vor allem migrantisierte und rassifizierte Menschen von der Polizei diskriminiert, gewaltvoll behandelt oder sogar ermordet werden. Auch die Polizei betreibt dabei häufig Täter-Opfer-Umkehr und arbeitet dafür nicht selten mit anderen Securitys zusammen. Statt der Normalisierung von struktureller und rassistischer Gewalt in Form permanenter Kontrollen, Sanktionsmaßnahmen und (lebensgefährdender) Grundrechtsverletzungen braucht es soziale Verantwortung und Lösungen für soziale Problemursachen und eine gerechte Gesellschaft. 
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Dies ist die einzige Normalität, die wir akzeptieren werden.
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A. und J. für den Radikalen Flügel von Migrant Voices Halle
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english translation:
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Against the Normalization of Structural and Racist Violence by HAVAG 
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Second statement of Migrant Voices Halle about racist violence and life-threatening treatment by 3 controllers of HAVAG
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On the morning of June 8, 2022, between 8.30-8.55 a.m., 3 white streetcar inspectors of HAVAG violently and racistly assaulted a migrant passenger and people on streetcar line 10 in the direction of Neustadt Zentrum. In a public statement, which we published on 24.8.22, we subsequently demanded a reappraisal of the incident, as well as the dismissal of the 3 HAVAG inspectors who were demonstrably involved in the assaults. Simultaneously to this publication, we informed the customer service of HAVAG about our complaints and demands, as well as our mail address for a direct exchange. In a first answer and reaction, HAVAG assured us that they would work on the case. However, no insights or consequences followed. Instead, HAVAG’s complaints management informed us of detailed information from their auditing company regarding the incident. According to these, no misconduct on the part of their 3 controllers would be discernible, which is why we should publicly withdraw our accusation of disproportionate force and thus also our demands in this case. The demand for this and the reason for their attitude was published by HAVAG via the online magazine “Du bist Halle” on 29.8.22. In the following, we would like to subsequently address why we criticize the public statements of HAVAG and their rejection of a reappraisal and why we continue to adhere to our demands. In the following, however, we assume a changed initial situation of the incident of 8.6.22, to which HAVAG referred to us and the public in order to justify the use of force by its 3 inspectors.
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Our first statement “Social justice instead of non-violence” was based on the assumption that the assault by the 3 HAVAG inspectors on a migrant passenger was triggered by a missing ticket or identification document. Thus, on the basis of the Transport Creep Act. However, according to the statement of the inspection company and HAVAG to us, the inspection and use of force did not occur due to a missing ticket or identification document, but due to a missing mouth-nose protection, as well as the possible damage to property of an inspection device, when the person concerned tried to leave the inspection. If this explanation of HAVAG and its testing company corresponds to the facts, we see it as necessary to revise our assumptions of the exact triggers of the incident. However, HAVAG’s auditing company is not an independent body and naturally has an interest in presenting circumstances, if necessary, in such a way that they are in the interest of the company and do not lead to its damage. In addition, our assumption was based on the anonymous testimony of a person who had observed the incident almost from beginning and had assured us that he had not recognized any justified reason for the use of force. For these reasons, we nevertheless distrust the statements of HAVAG and still do not regret having made this case public in order to question the proportionality of the violence exercised by the 3 HAVAG inspectors. Nevertheless, we assume in the following the changed cause constants of the incident on which the HAVAG referred to us and the public. However, this is not a change of the entire equation, the calculation of which HAVAG has made without us and which in our eyes continues to be highly doubtful in the result. 
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In its public statement on “Du bist Halle”, HAVAG justifies the disproportionate use of force by its inspectors with the fact that possible damage to property and bodily harm had occurred. The exact explanation of the inspection company describes the incident in such a way that the person concerned during the sanctioning measure had first handed over the identity document to the responsible inspector on his demand, in the following course however tried to leave the sanctioning measure. In the process, the person allegedly hit the testing device of the responsible inspector, causing the identity document to fall to the ground. In an attempt to pick up the identification document and leave the streetcar, the person concerned was seized and overpowered by the inspectors. In the process, the person concerned allegedly inflicted bodily harm on the inspectors.
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What HAVAG does not mention to the public is that the possible damage to one of its inspection devices was based on a mere assumption and apparently happened when the person tried to leave the sanctioning measure and streetcar. Thus, it was not pure vandalism, as a consciuos failure to name the context may suggest. In addition, the person concerned previously apparently showed willingness to cooperate by handing over an ID card. That the decision to do so should have changed into a refusal attitude without reason or only out of gloating is to be questioned. Moreover, it is quite possible that this reaction could have been provoked by the responsible inspector and the alleged “blow” against the testing device in the case of the fact indirectly resulted from the fact that the issued identification document was returned. It should be noted here that inspectors are not legally authorized to demand an ID card at all and that there are reasons why they do so nevertheless, especially in the case of certain groups of people. In the present situation, it would have been possible for the responsible inspector to simply expel the person concerned from the streetcar because he was not wearing a mask, instead of demanding the ID card for a sanction. Furthermore, the possible bodily injury, which is said to have been committed according to the statement of the HAVAG inspection company, can only have occurred as an indirect defensive reaction to the use of force by the 3 streetcar inspectors. By forcibly overpowering the person concerned and forcing him to stay in the streetcar with massive pressure, they allowed the situation to escalate completely. Despite this, however, none of the 3 inspectors should have appeared injured externally and in terms of their behavior, and therefore no medical treatment should have been requested or necessary. Therefore, we assume that the report for bodily injury cannot have been based on an actual or relevant injury. We believe that the inspection company and HAVAG are deliberately using the accusation of damage to property and bodily harm, on the one hand, to legally legitimize the exercise of violence by pre-criminalizing the person and, on the other hand, to reverse the perpetrator-victim relationship in order to influence public perception in their favor. 
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At this point, we would like to emphasize once again that it cannot be independently ascertained whether the accusation of damage to property to legitimize the use of violence actually corresponds to the truth or was not subsequently and deliberately fabricated. In any case, it would not be the first time that people who experience inappropriate and discriminatory behavior by HAVAG inspectors and defend themselves against it are reported. In addition, those affected usually do not try to take legal action against unjust treatment by HAVAG inspectors, because they know that this can lead to a counter complaint. Here we refer to information from Anti-discrimination agencies in Saxonia-Anhalt, which told us on request to have processed cases in the past, in which it also came to the perpetrator-victim reversal on the part of the inspection company and HAVAG.
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Regardless of this, however, we believe in any case that there are social reasons why people can in principle react affectively in a stress-inducing control due to the punishment involved and that such behavior does not necessarily have to be responded to with physical force. Above all, this is not necessary if initially a willingness to cooperate was apparently shown by handing over the identification document and, moreover, there is no reason for self-defense or endangerment of other persons. Instead, controllers should know how to deal responsibly and de-escalatively with unexpected and also stressful situations, instead of enforcing punishment at all costs. 
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As we already described in our first statement, the person in question was held so tightly by the three inspectors during the incident and put in a headlock that he could no longer move and repeatedly demanded: “Let me sit!” and “Let me breathe!”. Despite these repeated requests, the 3 inspectors did not let go of the person concerned, but continued to pack the person under the eyes of people watching. Thereby they replied to the affected person: “Drop your wallet, then you can sit down” and “your ID card, then it’s fine!  HAVAG informed us that our descriptions differed from what had really happened and that their inspectors had tried to “calm down” the person. From the pictures and sound recordings of the proof video available to us and the fact connected with it that the 3 controllers did not leave the possibility to the already overwhelmed person to sit and breathe freely, as well as besides still legally inadmissible conditions for it placed, is to be proved however that it did not concern the 3 controllers to “calm down” the person. They were primarily concerned with asserting authority and dominating power. 
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According to the testimony of a person who sent us anonymously the evidence and asked for clarification of the case, the first controller also exercised extreme, unlawful violence from the very beginning. According to this, the head and neck of the person concerned were grabbed and pressed down so that the person could not get up from the seat. It was only through this violence that the situation is said to have really escalated. In the further process the 3 controllers then together shall have tried to press the person on the ground and to fix the hands on the back, but this was not possible because of the fluctuations of the moving streetcar, so that they continued the fixations standing and over the seats as we described. We believe these statements and also evaluate their assaults not only as disproportionate violence and collective bodily harm, but also as a retaliatory measure due to refused obedience. The HAVAG still explained to us that their controllers had no other choice, because the affected person “did not want to calm down”, represents for us an extreme farce and deception. At the latest from the time in which the person concerned demanded to be able to sit and breathe and this was refused, it must be clear also for uninvolved ones that here each border of a possible justification and comprehensibility was exceeded. In any case, it is not possible to “calm down” a person if the neck is forced in with one arm and the upper body is pressed across two seats. Since it can come with such measures under certain circumstances also to serious health or even lethal damage we designate such also as life-endangering treatment. For us, there is ultimately no question that it was not legally legitimate to physically harass a person in such a way only because of a mask that was not worn and the mere assumption of a possible damage to property. And even if there had been legal authority to do so, it would be unjustifiable from a moral point of view.
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The fact that HAVAG nevertheless sees no fault whatsoever with regard to the behavior of its 3 inspectors and therefore also shows no regret means for us that HAVAG also advocates escalation and excessive violence instead of conflict-competent behavior and de-escalative measures to enforce its sanctioning measures if necessary. In this context, it basically does not matter what the exact trigger is. Moreover, the protection of private property seems to be more important to HAVAG than the well-being of people. Instead of self-criticism and a necessary reappraisal, which we demanded and which HAVAG initially assured us, we had to see how HAVAG tries to completely turn the case around and deliberately accuse us of “discrediting” their company in order to put us in a bad light and themselves in a better one.
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However, we were not interested in discrediting HAVAG as a whole. We had therefore also formulated precisely that it had been a matter of assaults by 3 inspectors. What we are concerned with, however, is a democratic control of the ÖPNV. In our opinion, this is not given, since there are no independent complaint bodies with control powers and companies such as HAVAG and its auditing company do not act independently of their own economic interests. For us, this was also demonstrated by the fact that HAVAG immediately regarded the opinion of its auditing company as undoubtedly true in response to our criticism and adopted and published it extremely hastily. Although HAVAG had initially stated to us that it would try to get an overview of the incident as a “third party”, it did not subsequently ask us for a renewed statement. Accordingly, HAVAG is neither impartial nor credible to us because of the promised but unfulfilled reappraisal of the incident. Because a real reappraisal also includes a self-critical analysis of mistakes and the acceptance of consequences, instead of mere empty words and promises. In addition, we believe that HAVAG has damaged its own reputation by deliberately justifying escalative and disproportionate violence in the course of sanctioning measures and thus putting the trust and well-being of its passengers and the public at risk. This decision is also a signal to all inspectors that they will not suffer any consequences in an emergency as long as they find ways to justify their use of violence. It also becomes clear what power of interpretation the inspection company and HAVAG have vis-à-vis their critics with regard to the representation and perception of abusive actions.
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Although we presented evidence photos of how 3 white inspectors of HAVAG harass a migrant person, not only our criticism of the disproportionality of the treatment is rejected, but also a designation of this as racist with the help of the perpetrator-victim reversal. HAVAG refuses to recognize the assaults of its 3 inspectors as racist because, according to their explanation, it was only a reaction to the behavior of the person concerned. This logic denies that controls and sanctioning measures are fundamentally a power relationship and a form of exercising violence, as they can oppress people in different ways. This is especially true for precarious and discriminated people. However, instead of focusing on the experiences of the person or persons affected and witnesses, HAVAG focuses on the view of its controllers. We condemn this perpetrator-centrism as well as an understanding of racism as an act that would have to be proven as in a court of law.
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Just as migrant and racialized people or People of Color are repeatedly affected by racist discrimination or violence everywhere in everyday life, this naturally also occurs in areas of public transport. Migrantized people often experience being treated particularly harshly and rigidly during public inspections. This is only exemplified by the fact that once again a migrantized person was treated excessively harshly and brutally by 3 white inspectors. These conditions also result from the fact that inspectors are often hired through placement agencies or outside companies, and thus any person can gain easy and uncontrollable access to power. Of course, this can also open the doors to racist, authoritarian and right-wing-minded or violent people. To exclude this from the outset would at the same time mean to exclude both racism and right-wing thinking and acting as a problematic part of society. By the way, on an evidence photo we can read from the corners of the eyes of a involved controller the grin and the joy of the racist violence. We therefore do not believe in coincidences, but in structural connections. 
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Even if we could not present evidence photos and video recordings as a basis for our criticism, for us, however, the question of whether the act was racist or not does not have to be discussed in principle. Racism can usually not be proven at all and usually even happens completely unconsciously. Instead, we should ask what structures lead to the emergence of power relations and inequalities between people, especially between white and racialized people, and how social mechanisms function to legitimize and normalize them – instead of seeing them as a problem and abolishing them. We therefore also deliberately speak of internalized and structural racism as a liberation from a limited, depoliticized, and misused definition of racism that excludes the material, capitalist, and state dimensions of racism. Such a definition would leave the structural and societal causes behind racist violence invisible and allow HAVAG to evade its responsibility.
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This is what HAVAG ultimately tries to do by rejecting our designation of racism with the argument that “people with a migration background” would also work in their company and their testing company and therefore no racist behavior can exist. We criticize this as obvious tokenism, which is often used by white people as a tool and red herring to deny those affected by racism their experiences and criticism. The goal of this is to feign trust and equality while denying a real examination of the individual and structural foundations of racism and instead focusing on and celebrating one’s own self-valorization and securing one’s position of power. Here we can refute the explanation of the HAVAG again by the fact that advisory boards in Saxonia-Anhalt register very well discriminating behavior by Kontrollur:innen of the HAVAG and with concerning complaints to the HAVAG addressed. We consider the fact that HAVAG nevertheless publicly presents itself as having absolute integrity as further evidence of a lack of self-critical reappraisal and democratic transparency, since the persons affected are apparently not taken seriously and their experiences are denied and made invisible. 
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HAVAG’s handling of our criticism is according to our jugdment more than exemplary in showing the logics and means by which structural violence and structural racism are enabled in society. However, we will not let our perception of the racist and violent reality or pseudo-normality be manipulated by the statements of HAVAG and those of its inspection company, even if we saw it as necessary to respond to them, in order to contradict once again the lack of alternatives and the absolute legitimacy of the exercise of violence by its inspectors. 
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We call on HAVAG with this second statement: 

-Dismiss the 3 inspectors who together have demonstrably exercised disproportionate force.

-Deal with the incident transparently and self-critically and take a public stand on it again

-Order your staff to act in a de-escalative and socially responsible manner instead of sanctioning and punishing at all costs

-Stop perpetrator-victim reversal and denial of structural racism

-In view of unfulfilled promises, false insinuations and the public advocacy of disproportionate use of force, we also demand the dismissal of the decision-makers involved in this case and the resignation of the head of the HAVAG complaints management.

In addition, a fourth controller was indirectly involved in the assaults of the 3 controllers as we were subsequently informed by the witness person. After explanations of the HAVAG, this “noticed” the incident and informed thereupon the train leader, who called in the police. Since the physical restraint of the person concerned continued until the arrival of the police, the fourth controller was able to observe most of the violence. She shouted at the witness to refrain from documenting this with a cell phone. We see this as an attempt to exert verbal violence and massive pressure on a passenger in order to cover up their own misconduct and prevent public and democratic control. For this reason, we also demand the dismissal of this fourth HAVAG inspector.
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For us, however, the main problem lies fundamentally in HAVAG’s monopoly on interpretation and its dependence on economic profits and the logic of supervision and punishment that this requires. From our point of view, this concentration of power and dependence makes independent self-control and a real reappraisal of the situation difficult and only possible with great public pressure, but even then, as in this case, not unconditionally. We therefore continue to call for more far-reaching measures and structural changes:
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-The examination of the control personnel of external companies in public transport for systematic abuse and failure

-Parliamentary investigation and clarification of systematic discrimination and violence by security personnel in public transport.

-An independent complaints office on the behavior of security and control personnel with control and information powers vis-à-vis railroad companies such as HAVAG.

-Free public transport and the socialization of HAVAG, since democratic and non-violent public transport can only be ensured in the long term if the entire public transport system is transferred to public ownership and railroad companies such as HAVAG are no longer profit-oriented enterprises.

HAVAG has publicly asked us to correct our last statement. We have done so herewith. But of course not in the interest of HAVAG and its auditing company, but in the sense of a power-critical reappraisal and public clarification. 
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Concluding/additional remarks:
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– This statement is not a justification for not wearing a mouth-nose protection in trains of the public transport.
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– The attribution “white” does not refer to biological, phenotyped characteristics, but to whiteness as a social category that makes racist constructions possible in the first place. This is usually structurally hidden and with it all the privileges and inequalities that go hand in hand with it. As a result, whiteness remains the norm and normality and it is not possible to recognize and question racist power structures. The term People of Color also does not describe shades of skin. It is about marginalization due to racism. A Eurocentric, racializing and exoticizing view plays a role here, which is a consequence of the former, unprocessed colonization of many countries. The term People of Color describes a commonality of structural discrimination experiences due to racism.
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– We reject the attribution or othering of our group as a “migrant organization” by the online magazine “Du bist Halle”. Migrant Voices Halle is an independent and non-hierarchical association of migrants and immigrants. The term “migrant” in the self-designation of our initiative is only meant to express our positioning and related experiences within the white dominant society and its structures of domination. In addition, we criticize the title of the related Du bist Halle article, which presented our criticism of disproportionate violence, supported by evidence, as an open question in contrast to the positioning of HAVAG.
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– We reject HAVAG’s public accusation that we have been “unavailable for days”. We have informed HAVAG that we can be contacted via an email address. However, our internal consultations took time and we did not see the need to respond hurriedly without a specific statement from HAVAG. The only request we received prior to the publication of HAVAG’s statement was for a handover of the evidence video available to us, with which we believe HAVAG wanted to protect itself and which we naturally did not respond to in order to verify HAVAG’s independence. We wanted to communicate our refusal of a handing over to HAVAG. After the hasty publication of their statement, however, we no longer saw any reason to respond to this request, nor to hurriedly prepare this second statement.
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– The public statement of HAVAG that our demands are without any basis and can be refuted on the basis of the records available to them, we have herewith refuted in detail. The recordings of the streetcar cameras, which HAVAG cites as evidence, only contain images that can at best confirm but not refute our detailed criticism. In contrast to HAVAG we have the mentioned audio recordings, which prove the described intentions and transgressions of the 3 inspectors and which HAVAG cannot refute. The main mistake of HAVAG was above all to rely on the pure image recordings of their streetcar cameras.
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– The public statement of HAVAG that its employees would treat all people “regardless of origin and ethnicity” equally represents a misuse of the ambivalent and controversial term “ethnicity”, since there is an appropriation of the experiences of ethnicized people and groups. The scientific term is used to differentiate cultural and socialization characteristics. However, the ethnicization, culturalization, and thus often homogenization, stereotyping, and exoticization of individuals also reproduces racist foreign attributions and categorizations and is an inadmissible presumption, especially in the context of self-representation/enrichment and justification of racist violence.
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– The structural critique we expressed in our first statement remains. The reporting and sanctioning practice of railroad companies such as HAVAG on the basis of the Transport Creep Act (§ 265a StGB) leads to the (additional) precarization and social stigmatization and exclusion of people who are already precarized, regardless of the incident. In the worst case, this can lead to a substitute custodial sentence (§43 StGB) or detention in prison. Especially for people with uncertain residence status, there is a risk of being criminalized or classified as “criminals” by the immigration authorities if they file a complaint, which can lead to possible deportation. Similarly, illegalized people who cannot show valid identification documents may be detained or deported by the police who are called in. This is contrasted by the disproportionately high annual economic turnover of HAVAG or Stadtwerke Halle GmBH, of which HAVAG is a subsidiary. HAVAG has so far not commented on this at all.
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– In addition, disproportionate security arbitrariness and violence must also be problematized in other areas of public life. State laws repeatedly enable the legitimization of spaces in which especially migrant and racialized people are discriminated against, violently treated or even murdered by the police. Police also often engage in perpetrator-victim reversal in this process, and not infrequently collaborate with other security to do so. Instead of the normalization of structural and racist violence in the form of permanent controls, sanction measures and (life-threatening) violations of basic rights, social responsibility and solutions for social causes of problems and a just society are needed. 
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This is the only normality we will accept.
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A. and J. for the Radical Wing of Migrant Voices Halle

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